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Handwerk Gesellen auf der Walz

Von Redaktion svz.de | 06.08.2014, 16:38 Uhr

Junge Handwerker folgen einem alten Brauch: Sie gehen auf Wanderschaft

Bestimmt habt ihr sie auch schon einmal gesehen: Junge Leute in schwarzen Schlaghosen, kragenlosen weißen Hemden und mit Schlapphut, Zylinder oder Melone auf dem Kopf. Sie sind zu Fuß unterwegs und tragen ihre Habseligkeiten in einem kleinen Bündel bei sich. Es sind Handwerksgesellen auf der Walz. Nach Abschluss ihrer Lehre gehen sie für drei Jahre und einen Tag auf Wanderschaft oder auf „Tippelei“, um Berufserfahrung zu sammeln und die Welt kennenzulernen. Die Tradition verlangt, dass sie nur zu Fuß oder per Anhalter unterwegs sind und einen großen Bogen um ihren Heimatort machen.

Wandernde Maurer, Dachdecker oder Zimmerleute gab es schon im 12. Jahrhundert. Die Walz war bis ins 18. Jahrhundert Voraussetzung dafür, selbst einmal Meister zu werden. Der Meister sprach seine Lehrlinge nach der Gesellenprüfung „frei“. Diese erlernten von den Altgesellen die geheimen Bräuche und Rituale ihrer jeweiligen Zunft, dann ging es los. Die Zünfte, das sind Vereinigungen der Handwerker, haben ihre eigenen Regeln und Bräuche.

Auch heute treten junge Handwerker, die auf Wanderschaft gehen wollen, einer Zunft (auch Schacht genannt) bei. Die sogenannten Tippelbrüder müssen ledig und jünger als dreißig Jahre alt sein. Sie versprechen, „ehrbar und rechtschaffen“ zu handeln. Welcher Vereinigung ein Geselle angehört, ist an winzigen Details, zum Beispiel an der Farbe der „Ehrbarkeit“ (das ist der kurze Schlips), zu erkennen. Im linken Ohr tragen die Gesellen einen Ohrring mit dem Wappen des jeweiligen Handwerks. Früher durften nur Männer auf die Walz gehen. Je nach Schacht dürfen das heute auch Frauen tun.

An jedem neuen Ort bitten die Gesellen zünftig um Reiseunterstützung, indem sie zum Beispiel bei Handwerkskammern und Meistern nach altem Brauch vorsprechen. Sie klopfen mit ihrem Wanderstock auf den Boden und sagen einen Spruch auf, um Arbeit, Unterkunft oder etwas Geld für die Verpflegung zu erbitten. Was sie genau sagen, ist geheim. Es dient als Erkennungszeichen der Zunftmitglieder untereinander.

Es gibt auch zunfteigene Herbergen, in denen sich viele Wandergesellen treffen. Sie „tippeln“ dann oft gemeinsam weiter. In ein Wanderbuch notieren sie, wann und wie lange sie wo gearbeitet haben. Das ist später nicht nur eine schöne Erinnerung, sondern ein wichtiges Dokument über ihre Berufserfahrung.