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Deutschland Gabriele Pauli

„Ich bin ganz anders“

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Gabriele Pauli (parteilos) über eine mögliche Kandidatur als Sylter Bürgermeisterin: „Ich kann es mir vorstellen. Aber nur, wenn alle Rahmenbedingungen passen“ Gabriele Pauli (parteilos) über eine mögliche Kandidatur als Sylter Bürgermeisterin: „Ich kann es mir vorstellen. Aber nur, wenn alle Rahmenbedingungen passen“
Gabriele Pauli (parteilos) über eine mögliche Kandidatur als Sylter Bürgermeisterin: „Ich kann es mir vorstellen. Aber nur, wenn alle Rahmenbedingungen passen“
Quelle: picture alliance / dpa
Auf Sylt sammeln Einheimische Unterschriften für die Ex-CSU-Rebellin als Bürgermeisterkandidatin. Der „Welt“ sagt Gabriele Pauli, ob sie das Amt reizt - und warum sie sich oft falsch verstanden fühlt.

Auf der größten Nordfriesischen Insel Sylt hat sich eine Gruppe von Bürgern zum Ziel gesetzt, dass Gabriele Pauli (parteilos) bei der Bürgermeisterwahl Ende dieses Jahres kandidieren wird. Wie die „Welt“ von einem Initiator erfuhr, sammeln ihre Unterstützer auf Sylt seit Kurzem die 135 benötigten Unterschriften von Wahlberechtigten, damit die Politikerin als unabhängige Kandidatin antreten könnte. Seit ihrem Ausscheiden aus dem Bayerischen Landtag im September 2013 hat Pauli kein politisches Mandat mehr; mit ihren früheren Parteien CSU und Freie Wähler ist sie heillos zerstritten. Mit der „Welt“ spricht Pauli darüber, ob Sylt ein politischer Neuanfang für sie sein könnte.

Die Welt: Frau Pauli, um Sie ist es still geworden. Was machen Sie zurzeit?

Gabriele Pauli: Nach rund 25 Jahren in der Politik gönne ich mir gerade ein kleines Sabbatical. Darüber hinaus kamen verschiedene Angebote aus der freien Wirtschaft auf mich zu und auch aus der Politik. Außerdem halte ich Seminare zur Selbstentwicklung ab, auch zum Thema „Der Mut in mir“. Dabei geht es um die Überwindung von Ängsten und den Aufbau von Resilienz. Volkstümlich gesagt: die Kunst, sich zu behaupten und seine Stärken zu einzusetzen.

Die Welt: Zurzeit kursiert das Gerücht, dass Sie als Bürgermeisterin von Sylt kandidieren könnten. Wie kam es dazu?

Pauli: Mich hat ein Bürger im Namen anderer Bürger gefragt. Die Frage liegt vor – ich arbeite an der Antwort. Die Entscheidung überleg ich mir reiflich.

Die Welt: Reizt Sie das Amt?

Pauli: Ich werde noch Gespräche führen. Generell ist so eine Position natürlich reizvoll. Es wäre eine Ehre. Sylt hat eine bewegte Vergangenheit und ist eine Besonderheit, die Insel zieht nicht umsonst Touristen an. Das ist eine anspruchsvolle Herausforderung, nicht vergleichbar mit dem Bürgermeisteramt anderer Gemeinden. Wobei ein wichtiger Aspekt für mich ist: Ich habe lange einen Landkreis mit 120.000 Einwohnern geführt – mit der kommunalen Dienstaufsicht über 14 Gemeinden. Die kommunalen Themen sind mir sehr geläufig. Ich kann es mir vorstellen. Aber nur, wenn alle Rahmenbedingungen passen.

Die Welt: An Ihren Qualifikationen würde es Ihrer Meinung nach also nicht scheitern …

Pauli: (lacht) Die Kommunalpolitik habe ich im Landkreis Fürth 18 Jahre lang betrieben (als CSU-Landrätin von 1990 bis 2008, d. Red.) – und bin immer mit sehr guten Ergebnissen gewählt worden. Ich konnte durch strikte Sparmaßnahmen einen Riesenschuldenberg meines Vorgängers abbauen und erhielt dennoch eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Was ich mache, tue ich mit Leidenschaft. Es geht ja immer um wertvolles Steuergeld vieler Menschen.

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Die Welt: Auf Sylt waren Sie bisher aber nur ein paar Mal. Wie gut kennen Sie die Insel?

Pauli: Für mich ist zunächst anderes zu klären als die politischen Konstellationen dort. Ich habe Familie in Bayern und wohne selbst in München. Sylt ist zurzeit ein Gedankengang – die Insel fasziniert.

Die Welt: Wobei die Sylter CDU schon jetzt abgelehnt hat, Sie als Kandidatin zu erwägen. Haben Sie überhaupt noch Lust, für irgendeine Partei anzutreten?

Pauli: Vor Ort haben die Parteien ja auch bereits Kandidaten ausgeguckt. Deren Haltung zu mir verstehe ich ja. Ich war ja auch 30 Jahre Mitglied einer konservativen Partei. Jetzt bin ich jedoch parteilos, und dieser Status hat Vorteile: Man muss keine Programme vertreten, bei denen man im Konflikt mit sich selbst steht, und kann kompromisslos für die Bürger da sein. Für die Kommunalpolitik ist dieser Status am besten.

Die Welt: Sylts Bürgermeisterin Petra Reiber ist seit rund 25 Jahren im Amt. Haben es Frauen im Norden in der Politik leichter als im Süden?

Pauli: Das hängt nicht mit der Region zusammen. Solange Frauen keine männlichen Machtdomänen berühren, sind sie gut gelitten und werden ganz gerne vorgezeigt. Das war bei mir auch so. Als Landrätin in Fürth war ich unangefochten. Ich hatte einen SPD-Mann besiegt. Das war dann ein neues zusätzliches Terrain, die CSU hatte dort zuvor ganz schlechte Ergebnisse. Jedenfalls gefährdete ich dort keinen CSU-Mann. Als ich in der Landespolitik aktiv wurde, wurde es eng.

Die Welt: Klingt, als gäbe es immer noch viel böses Blut zwischen Ihnen und der CSU …

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Pauli: Also, „die“ CSU würde ich nicht sagen. Gerade im mittelfränkischen Raum habe ich Freunde in der Partei. Aber die CSU insgesamt will mit mir nicht. Es existiert ein Vorstandsbeschluss aus dem Jahre 2012, mich nie mehr wieder aufzunehmen, weil ich „genug angerichtet“ hätte. Damit war gemeint, dass die CSU bei der Landtagswahl 2008 erstmals die absolute Mehrheit verloren hatte. Das führen einige auf meine Kritik an der Selbstherrlichkeit des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber zurück, der dann ja vorzeitig zurücktrat. In Fürth werde ich dagegen gefragt, ob ich wieder eintreten will.

Die Welt: Hat sich die CSU – mit Blick auf die Frauen – geöffnet? Ilse Aigner ist heute Superministerin und Vizeregierungschefin.

Pauli: Ich kenne Frau Aigner ganz gut, auch noch aus unserer Zeit in der Jungen Union. Sie ist sehr engagiert, sehr ehrlich – und für das harte politische Geschäft fast zu schade. Sicher, sie war sogar Bundesministerin. Aber um sich langfristig behaupten zu können, braucht man viel Rücksichtslosigkeit. Es gibt Männer, die sind rücksichtsloser als sie. Zum Beispiel Markus Söder, dem auch Horst Seehofer jede „Schmutzelei“ zutraut. Es nützt in der CSU nix, wenn man nur gut und ehrlich ist.

Die Welt: Wie sehen Sie die Krise der CSU nach ihrem Europawahldebakel? Seehofer wird öffentlich von Erwin Huber kritisiert. Die Männer, gegen die Sie 2007 erfolglos um den Vorsitz antraten.

Pauli: Vor allem stelle ich fest: Es sind immer noch dieselben Macho-Populisten in der CSU aktiv wie damals. Und: Edmund Stoiber blieb im Hintergrund Strippenzieher. Er hat nach wie vor Macht, auch über seinen ehemaligen Generalsekretär Söder, der sich selbst als Stoiberianer bezeichnet. Dieses CSU-Netzwerk hat in Bayern schon viel Unrecht begangen – und ich meine natürlich nicht nur im Umgang mit mir. Gustl Mollath wurde in die Psychiatrie gesteckt, nachdem er Steuerhinterzieher aufdeckte. Er ist ein Opfer einer politischen Justiz.

Die Welt: Stehen Sie mit Herrn Mollath in Kontakt?

Pauli: Ja, wir haben Kontakt, und ich wünsche ihm, dass er die Wiederaufnahme seines Verfahrens gut bewältigt und dann die ganze Dimension der Verfilzung endlich aufgedeckt wird.

Die Welt: Sie selbst haben kürzlich einen juristischen Sieg errungen – nach jahrelangem Streit: Sie dürfen wegen Ihrer Fotos mit den Latexhandschuhen nicht mehr als „durchgeknallte Frau“ bezeichnet werden. Wie fühlen Sie sich?

Pauli: Ja, das Bundesverfassungsgericht hat den Kommentar von Franz Josef Wagner in der „Bild“ genauso kritisch gesehen wie ich. Er wollte mir bewusst schaden. Aber es gibt ja noch viel, viel mehr im Internet, was ehrverletzend ist. Ich bin froh, dass es jetzt eine rechtliche Möglichkeit gibt, Falsches und Verleumdendes löschen zu lassen. Aber was bringt das, wenn es seit Jahren durch alle Kanäle läuft? Was einmal ehrverletzend geäußert worden ist, bleibt immer ehrverletzend.

Die Welt: Zugleich wird Ihnen oft nachgesagt, dass Sie die mediale Aufmerksamkeit nur allzu gerne auf sich ziehen. Kann Gabriele Pauli ohne Rampenlicht glücklich sein?

Pauli: Ja, natürlich. Die Medien gehen mit mir ja nicht gerade glimpflich um. Es ist unglaublich, welche Begriffe der Männerfantasien für mich verwendet wurden. Was soll ich für ein Interesse daran haben? Das Bild von mir in den Medien entspricht mir nicht. Ich bin ganz anders. Einfach, unaufgeregt und normal. Und es wäre schön, wenn das jemand mal merken würde.

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